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Beitrag vom 10.07.2004
Super Size Me
Jana Scheerer
Die Amerikaner essen nur Fastfood und werden immer fetter. Ein europäisches Vorurteil? Nein, eine amerikanische Tatsache. Behauptet zumindest Morgan Spurlock in seinem burgerlastigen Dokumentarfilm
Im Jahr 2002 verklagte ein amerikanischer Anwalt im Namen zweier übergewichtiger Mädchen den Konzern McDonald´s. Die Restaurantkette, so seine Argumentation, sei für die gesundheitlichen Probleme der Jugendlichen verantwortlich. Tatsächlich wird in Nordamerika immer mehr Fastfood gegessen - zugleich steigt die Anzahl der als "übergewichtig" eingestuften Menschen im Land. Die einfache Gleichung könnte also lauten: Amerikaner essen immer mehr Fastfood. Amerikaner werden immer dicker. Also macht Fastfood dick.
Um diese Annahme zu untersuchen, stellte Filmemacher Morgan Spurlock sich für ein Experiment zur Verfügung: Unter ärztlicher Aufsicht nahm er einen Monat lang nur Essen zu sich, das über die Theke von McDonald´s gewandert war. Keinerlei andere Nahrung war erlaubt. Was wie der Traum jedes Kindes klingt, wurde für ihn zum Gesundheitsrisiko: Die Blutwerte verschlechterten sich innerhalb kürzester Zeit rapide, sein Gewicht stieg, er fühlte sich unwohl.
Neben der Dokumentation dieser "McDonald´s-Diät" zeigt der Film Interviews mit ExpertInnen und Betroffenen, Stellungnahmen der Nahrungsmittelindustrie und - tausende amerikanische Fastfoodrestaurants. Aus dieser Mischung entsteht eine Rhetorik, der sich wohl kaum jemand entziehen kann, und die doch in ihrer Einfachheit sauer aufstößt wie ein alter Fischmäc.
Denn das Problem einer zunehmend übergewichtigen Bevölkerung ist eben nicht auf den einfachen Satz "zu viel Fastfood macht dicke Leute" zu reduzieren. Die tieferen Gründe von Essstörungen werden im Film höchstens ein oder zwei Mal am Rande gestreift. Und die andere Seite der Münze, nämlich tausende von magersüchtigen und bulemischen Mädchen, Frauen und mittlerweile auch Jungen und Männern, verschweigt Morgan Spurlock ganz.
So geht der Versuch, die Perfidität der Marketingstrategien großer Nahrungsmittelkonzerne zu zeigen, einmal mehr zu Lasten einer ohnehin hochgradig stigmatisierten Bevölkerungsgruppe.
Schon der Titel, "Super Size Me", stellt den Zusammenhang zwischen dicken Menschen und den "Super Size"-Portionen in amerikanischen Fastfoodrestaurants her. Da hilft auch ein gertenschlanker Big-Mac-Fan nicht mehr, die Dickenquote dieses Films zu senken.
Sehenswert ist "Super Size Me" trotzdem, und sei es nur, um die Vielfalt der Architektur nordamerikanischer McDonald´s-Restaurants zu bewundern. Eine Warnung sei allerdings ausgesprochen: Wer auf dem Nachhauseweg vom Kino an einem McDonald´s-Restaurant vorbei muss, sollte sich ausnahmsweise mal eine andere Route suchen. Plötzliche Übelkeitsanfälle sind sonst nicht ausgeschlossen.
Den Prozess um Schadensersatz verloren die beiden Mädchen übrigens. Sie konnten nicht ausreichend nachweisen, dass ihre gesundheitlichen Probleme ausschließlich auf den Verzehr von McDonald´s-Produkten zurückzuführen sind. Über die Schäden, die ihre Repräsentation in den Medien als "die dicken Mädchen, die McDonald´s verklagen" auf ihren Seelen hinterlassen hat, ist im Film nichts zu erfahren.
Super Size Me
USA 2004
Länge: 100 Minuten
Regie: Morgan Spurlock
Mit Morgan Spurlock, Don Gorske und Ronald McDonald
Kinostart: 15.07.2004
www.supersizeme.com
www.super-size-me.de